Ein letzter Monat

Meine Güte, es ist soweit. Die Tage werden gezählt, die Wochen werden immer weniger, es ist nicht mal mehr ein Monat. Es handelt sich um ein paar gute letzte Wochen, zwei Dutzend Tage und Ciao Kakao. 

Es ist so abgefahren, weil ich es noch überhaupt nicht realisiere, so wie die letzten Wochen damals in Deutschland, jetzt auch die letzten Wochen in Kolumbien. Es ist unvorstellbar, jetzt wieder einfach so zurückzufliegen, das alles hier zurückzulassen und, als wäre nichts passiert, einfach mal wieder in Deutschland weiterleben. Ich habe jetzt schon das Gefühl, dass sich mein FSJ nach meiner Rückkehr wie ein verrückter Fiebertraum anfühlen wird. Denn das war ja auch irgendwie ein wahrer Traum. 

Ich freue mich natürlich total auf Zuhause, nunmal ist ein Jahr auch echt ein gutes Stück, aber dennoch weiß ich, wie schwer es sein wird, den Ort, meine Familie, meine Freunde, meine Arbeit, meine kleinen Schulkinder, wie auch einen Teil von mir hier verlassen zu müssen. Denn es ist nicht wie damals in der Schweiz, dass ich sicher in einem Jahr nochmal für eine Woche vorbeikommen werde..nein, diesmal ist es ein Auf Wiedersehen für eine längere Zeit. 

Es ist ein Abschied einer eigentlich total fremden Familie, die nun zu meiner eigenen geworden ist. Ein Abschied eines Ortes, eines Hauses, eines kleinen Zimmers, das ich mein Zuhause nenne. Ein Abschied eines Arbeitsplatzes, der wie mein zweites Zuhause hier geworden ist, Abschied von Kollegen, die mich wie ein weiteres Familienmitglied aufgenommen haben. Es ist ein Abschied meines Lebens in einer Kultur, die ich jetzt so gut kennenlernen und wertschätzen durfte. Und natürlich ist mir bewusst, dass ich mit Sicherheit eines Tages zurückkommen werde und all die Erfahrungen und Eindrücke immer für mich haben werde, aber es ist dennoch echt traurig, diesen wunderschönen Ort, vor allem diese wunderbaren Menschen hier, zu verlassen. 

In Deutschland nimmt mich niemand Fremdes einfach so in den Arm, lädt mich zu sich in sein Haus ein, kocht mir Mittag und gibt mir Essen, bis ich platze. In Deutschland ist Bus fahren nicht so lustig, weil keine laute kolumbianische Musik läuft und man alle 3 Sekunden fliegt, weil der Busfahrer alle Hügel und Schlaglöcher mitnimmt, die es gibt. Die Deutschen tanzen nicht bei jeder Möglichkeit zu jeder Musik, egal mit wem. Die Deutschen sind nicht so hilfsbereit und gastfreundlich und geben alles dafür, dir zu helfen, dich zu schützen, egal wo vor. Man wird nicht von jeder Mama wie die eigene Tochter aufgenommen und geliebt. Im Laden wird man nicht mehr mit “Hallo meine Liebe, mein Schatz, mein Herz” begrüßt. Es wird kein frisches, exotisches Obst aus dem Garten geben. Man lernt nicht mal eben spontan drei neue Orte in der Umgebung kennen, und reist nicht wann man will, wohin man will. Man macht nicht nach 30 Minuten Arbeit eine Stunde Kaffeepause mit allen Kollegen. Auf der Straße wird mir Niemand mehr sagen: “ayyyy Princesaaaa, mi amoooorr, was für eine wunderschöne göttliche Schönheit bist du denn, du raubst mir den Atem, ich verliere mich in deinen Augen, ich hoffe, die ist bewusst was für ein Diamant du bist”, ne da kommt dann “ehh geile schnecke, bumsen?” (übertriebenes Beispiel, Catcalling ist und bleibt scheiße egal wo, nur sind die Kolumbianer was das angeht hoffnungslose Romantiker und Poeten). Es wird nicht aus jedem kleinen Laden laute, gute Musik gespielt und alle singen mit. 

Uns wurde von unserer Organisation von Anfang an mitgeteilt, dass der Kulturschock auf der Rückkehr der schlimmere sei und davor habe ich echt Respekt, mal sehen.. Ich berichte dann, wie es mir ergeht, hehe. 

Zunächst aber werde ich die letzten vier Wochen die mir bleiben und höchstwahrscheinlich genau so schnell, wie die letzten 11 Monate vergehen werden, genießen und meine Euphorie und Liebe in all die Menschen und Erfahrungen stecken, die mir noch bleiben.