Die letzten guten zwei Monate haben begonnen und es ist einiges passiert, über das ich euch gerne informieren möchte!!
Ich hatte in meinem letzten Beitrag schon einmal erwähnt, dass die letzte Zeit nicht die einfachste war. Ich hatte sehr viel mit Einsamkeit und jeder Menge Überwältigung von allen möglichen Gefühlszuständen zu kämpfen, bzw. umzugehen. Ein Auslöser dafür war auf jeden Fall die Situation in meiner Arbeitsstelle im Theater. Ich glaube, ich muss hier einmal ein wenig mehr ausführen, damit es verständlich wird. Ich mache es möglichst kurz und knapp.
Ich bin ja seit letztem Jahr August hier in Kolumbien und seitdem auch im Theater. Zu Beginn meines Fsjs war im Theater jede Menge los. Wir hatten einige Festivals und bezahlte Theaterstücke, die meine Gruppe an verschiedenen Orten präsentiert hat. Außerdem haben wir viele Künstler bei uns empfangen und durchgehend kleine Projekte und Ideen durchgesetzt. Es war eine total spannende und aufregende Zeit für mich.
Leider ging diese Phase nur bis Dezember letzten Jahres. Dann kam ein plötzlicher extremer Umschwung.
Die Projekte wurden immer weniger, die gemeinsame Arbeit immer seltener und die Stimmung innerhalb der Gruppe immer schlechter.
Ich habe mir am Anfang nicht so wirklich einen Kopf gemacht, da mein Chef damit sehr transparent umgegangen ist und meinte, dass es jedes Jahr eine eher “ruhige Phase” gäbe, welche vor allem für weitere Vorbereitung und die intensive Arbeit an neuen Stücken genutzt würde. Aber irgendwie ist das alles nicht passiert. Und das nun schon 4 Monate lang.
Theater bzw. Kunst generell ist in Kolumbien kaum anerkannt und es ist dementsprechend sehr schwierig für Künstler sich über Wasser zu halten, da der Staat sie kaum bzw. gar nicht finanziert. Dazu kommt die ganze Korruption im Land, die die finanzielle Situation aller erschwert (von der Inflation ganz zu schweigen).
Mein Theater hat sehr viele Schulden und durch die “ruhige Phase” ohne Programm etc. ist die Situation noch komplizierter geworden und wie man sich vorstellen kann, wurde die Stimmung immer schlechter. Es ist so weit gekommen, dass wir uns teilweise nur einmal die Woche gesehen haben. Und dann auch nicht 8 Stunden oder so, nein. Höchstens 2 oder 3. Die meiste Zeit saßen wir nur rum, haben Kaffee getrunken und alle haben sich gegenseitig mit ihrer schlechten Laune runtergezogen. Es war wirklich nicht schön und echt anstrengend.
Ich habe in der Zeit angefangen, mehr meine eigenen Projekte zu machen, viel zum Sport zu gehen und mir täglich Beschäftigung zu suchen um mich nicht zu langweilen, aber das war gar nicht so leicht, zumal ich meine Arbeit im Theater echt mochte und die negative Stimmung mir ziemlich zu schaffen gemacht hat. Aber ich habe trotzdem alles weiterhin mitgemacht, bis es irgendwann zu einer Auseinandersetzung mit meiner Mentorin kam, in der ich mit einer Respektlosigkeit behandelt wurde, die für mich weder gerechtfertigt noch in irgendeiner Weise akzeptabel war.
Meiner Meinung nach ist es sehr wichtig, wenn man in eine neue Kultur kommt, diese und vor allem die Menschen mit Respekt zu behandeln. Dazu gehört unter anderem für mich eine Person, die auch gerne bei kontroversen Themen ihre Meinung teilt, mich zurückzuhalten und meine Ansichten für mich zu behalten. Das ist absolut nicht einfach, vor allem hier in Kolumbien, wo man fast täglich Gewalt, in allen Formen erlebt. Aber das heißt für mich nicht, dass ich mich respektlos behandeln lasse. Ich hatte ab dem Zeitpunkt die Schnauze voll, ums Mal ganz deutlich auszudrücken. Ich war seit Monaten da, um zu helfen, wo ich konnte und musste mir durchgehend von allen Seiten nur Geheule anhören und all das für nichts.
Nach langen Gesprächen mit meinem Theaterchef Carlos, der über das meiste gar nicht im Bilde war, gab es einige unangenehme Diskussionen im Team zum Thema Respekt, Stimmung und Motivation, was die Gesamtsituation zwar erstmal nicht verbessert, aber beruhigt hat.



Ich habe angefangen, mich davon immer mehr zu distanzieren und mir gemeinsam mit meiner Organisation einen “Teil Arbeitsplatz” in einer Grundschule gesichert. Und wow, das war eine gute Entscheidung!
Ich arbeite jetzt als Fsj Englischlehrerin zwei Tage die Woche in einer kleinen Grundschule ganz in der Nähe von meinem Haus (die restlichen drei Tage immer noch im Theater, wenn es dazu kommt). Ich unterrichte die Vorschule bis 3. Klasse, 5 Klassen insgesamt und tooootaaaal süße Kinder. Wer mich kennt, weiß wie gerne ich mit Kindern arbeite, vor allem mit so kleinen süßen Mäusen. Dementsprechend bin ich wirklich glücklich, nun auch diese Erfahrung machen zu dürfen, zumal es echt großen Spaß macht, den Kindern Englisch beizubringen, mit ihnen zu spielen oder sie einfach nur im Arm zu halten.
In Kolumbien haben die Schüler sehr viel engere Verhältnisse zu ihren Lehrern, vor allem die Jüngeren. Die Lehrer nennen ihre Schüler auch durchgehend “mein Herz, mein Schatz, mein Leben, meine Liebe” und knuddeln sie, was das Zeug hält. Ich finde das herzzerreißend süß.
Wichtig ist hier zu erwähnen, dass die Grundschule in der ich arbeite in einem recht schwierigen Viertel liegt, d.h. die Kinder erfahren sehr viel Gewalt zu Hause, leben in Armut, mit oder ohne Eltern, oder wenn, dann mit Alkohol, Drogen, Gewalt- und anderen Problemen. Das merkt man auch in der Schule. Die Kinder sehen teilweise echt schlimm aus oder erzählen Dinge, die mich jedes Mal von Neuem entsetzen. Deswegen finde ich es umso wichtiger, ihnen in der Schule Sicherheit und Liebe zu geben, die sie brauchen und verdienen. Es ist eine intensive, aber wirklich schöne Arbeit. Und für mich ein echter Lichtblick nach der langen Dunkelphase im Theater.



Und so ist zurzeit mein neuer Alltag, mal in der Schule, mal im Theater. Hier und da helfe ich bei anderen Projekten an anderen Schulen meiner Mitfreiwilligen und vertreib mir so die Zeit. Am Wochenende bin ich viel mit meiner Gastfamilie unterwegs und lerne immer wieder neue schöne versteckte Orte kennen. Und so viel Zeit bleibt dann auch gar nicht mehr..



Die letzten drei Monate haben begonnen und somit der Anfang vom Ende, oh, ohne dramatisch zu klingen..! Dementsprechend ist es mir echt wichtig nochmal alles an positiven Erfahrungen mitzunehmen, was nur möglich ist!